Albas zehnter Pfennig ein Mythos ?
(1961)
Übersetzung aus dem Niederländischen : Christine Hermann, Wien
J. Craeybeckx (geb. 1923) studierte in Gent Geschichte und schrieb dort 1946 bei J. Dhondt eine Abschlussarbeit über die Ständevertretungen und den Widerstand gegen Albas neue Steuern. 1953 promovierte er bei Ch. Verlinden mit einer Dissertation über Einfuhr und Verbrauch von französischem Wein in den Niederlanden zwischen ca. 1200 und dem 16. Jahrhundert. 1962 wurde er Assistent in Gent und 1968 ordentlicher Professor an der Freien Universität Brüssel. Er publizierte u.a. auch über die Geschichte der Preise und Löhne, die Exportindustrien in der Neuzeit, die industrielle Revolution in Belgien und die Krise der Landwirtschaft am Ende des 19. Jahrhunderts.
“Albas zehnter Pfennig, ein Mythos?” ist der überarbeitete Text eines Vortrages, der 1961 bei der Generalversammlung der Historischen Gesellschaft in Utrecht gehalten wurde.
Sie werden es vielleicht seltsam finden, dass der alte und wohlvertraute zehnte Pfennig wieder aus dem Arsenal der Geschichte der südlichen und nördlichen Niederlande zum Vorschein geholt wird. Denn wenn man darüber nicht genügend unterrichtet ist, worüber dann? Was die Art und Weise der Einhebung dieser Steuer und des einhelligen Widerstands dagegen betrifft, verfügt man doch über die Studie von R.C. Bakhuizen van den Brink [1] und über den Artikel von H.A. Enno van Gelder [2], zu denen Ihr ergebener Vortragender, eigens für Brabant und Flandern vor gut 10 Jahren in zwei Artikeln, die allerdings nicht ausschlielich über dieses Thema handeln, noch das eine und andere hinzugefügt hat [3]. Doch scheint es mir nicht unmöglich, ein in mancher Hinsicht neues Licht auf die Bedeutung des Aufruhrs zu werfen, den diese Steuer im Vorfeld des Aufstandes gegen Spanien verursacht hatte, und der mit der Einnahme Den Briels am 1. April 1572 in ein definitives Stadium trat. Einige neuere Publikationen über das wirtschaftliche und soziale Klima, das man vor 10 Jahren noch viel zu wenig kannte, warfen neue Fragen auf und machten es möglich, einige andere vollständig oder teilweise zu beantworten. Natürlich können hier nur einige Punkte behandelt werden.
Gestatten Sie mir, zuerst den ziemlich auffälligen Titel dieses Vortrages zu erläutern, um dadurch das Hauptthema der weiteren Ausführungen deutlich zu machen.
Was kann an der Frage des zehnten Pfennigs Mythos genannt werden ? In erster Linie, dass es um eine Steuer geht, die praktisch nicht eingehoben wurde, sicher nicht in Flandern und Brabant. In einer früheren Publikation habe ich bereits angemerkt, dass der zehnte Pfennig wahrscheinlich sehr wenig eingebracht hat. Nun darf ich es noch prägnanter sagen: In Flandern und Brabant hat der zehnte Pfennig nichts eingebracht. Wenn er hier und da doch sporadisch eingehoben wurde, dann fand das wenige Geld nicht einmal seinen Weg in die Staatskasse.
Eine andere Legende, mit der man definitiv aufräumen kann, besagt, dass der zehnte Pfennig Ursache der Wirtschaftskrise gewesen sei, die wie von vielen verlässlich bezeugt, im Winter 1571/1572 herrschte. Was den Süden und im Besonderen Antwerpen betrifft, so wird diese Meinung von Historikern wie z.B. H. Pirenne und G. Malengreau vertreten. Pirenne schrieb nämlich: “C’est fut aussitôt une épouvantable déroute. Le choc brutal de la fiscalité espagnole brisa les rouages si délicats du commerce et de l’industrie et le mouvement économique s’arrête. Le monde des affaires est frappée de paralysie.” [Es war ein furchtbarer Zusammenbruch. Der harte Schlag der spanischen Steuerpolitik brach das feine Räderwerk des Handels und der Industrie, und die Wirtschaft kam zum Erliegen. Die Geschäftswelt war gelähmt.] [4]. G. Malengreau, der einen katholischen Standpunkt vertritt, schrieb 1933: “En peu de temps, la mesure ruina le commerce et l’industrie et réduisit le pays à la misère. Elle rencontra une résistance sourde, tenace, et finalement fut la cause d’une insurrection générale.” [Innerhalb kurzer Zeit ruinierte die Manahme Handel und Industrie und stürzte das Land ins Elend. Sie stie auf latenten und hartnäckigen Widerstand und war schlielich der Grund für einen allgemeinen Aufstand.] [5] Ganz auf der Linie mancher katholischer Autoren aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die in Albas steuerlichen Manahmen eine Ursache oder den unmittelbaren Anlass des Aufstandes sehen wollten, geht Malengreau damit noch einen Schritt weiter als Pirenne, denn er geht ohne Umschweife vom Wirtschaftlichen zum Politischen über. Mangels quantitativer Daten, ohne die man sich keine Vorstellung von den lang- und kurzfristigen Konjunkturbewegungen auf dem Antwerpener Markt machen kann, tendierte man bis vor kurzem dazu, sich so gut wie ausschlielich auf auerwirtschaftliche Faktoren zu berufen, um die Stagnation und in weiterer Folge den Niedergang Antwerpens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu erklären: auf den Bildersturm, den zehnten Pfennig, u.s.w. Natürlich bedeutete die Herrschaft der Geusen über die Scheldemündung von April 1572 bis zur Pazifikation von Gent 1576 einen schweren Schlag für Antwerpens Wohlstand, aber man kommt immer mehr zur Überzeugung, dass es in dem kurzen Zeitraum zwischen 1576 und der Übergabe an Farnese 1585 zu einem kurzen Aufschwung kam, wobei mehr als früher das nationale Element in den Vordergrund trat. Langfristiger gesehen stellt man ab ca. 1550, und mehr noch nach 1560, Zeichen eines Umschwungs einer für Antwerpen in Anbetracht der damaligen Zeit auergewöhnlich guten Wirtschaftslage fest, deren Komponenten vor kurzem von J. A. Van Houtte analysiert wurden. Eine definitive Periodisierung ist freilich fürs erste nicht möglich. Auf jeden Fall ist es nicht mehr zu rechtfertigen, einer nicht einmal eingehobenen Steuer die Schuld an einem Wirtschaftseinbruch zu geben, der bereits einige Jahre vor dem Winter 1571/1572 und sogar noch vor der Ankunft Albas in den Niederlanden zu beobachten war. Die Aufregung um den zehnten Pfennig und v.a. die Furcht vor seiner tatsächlichen Einhebung trug höchstens psychologisch zu einer weiteren Verschlechterung eines für das Wirtschaftsleben ohnehin schon nicht günstigen Klimas bei. Im Übrigen ist es völlig unmöglich, den Einfluss einer nicht eingehobenen Steuer auf Handel und Gewerbe zu ermessen, vor allem wenn man nicht einigermaen genau Bescheid wei über die Wirtschaftslage zur Zeit der Ankündigung der Einhebung. Es scheint also, als müsse der zehnte Pfennig als Ursache für das Ende der Blütezeit Antwerpens und zugleich des Wohlstands des ganzen Südens ins Reich der nationalen Legenden verwiesen werden.
Aber wenn der zehnte Pfennig tatsächlich nicht eingehoben wurde und daher auch keinen groen Einfluss auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet haben konnte, woher kommt dann der Widerstand, der so einhellig und so hartnäckig war, dass viele darin, wenn schon nicht immer die Ursache, so doch oft den Anlass des Aufstandes gesehen haben ?
Der Widerstand gegen die Einhebung der Steuer Albas ist ja schlielich kein Mythos, obwohl die Autoren, die in den letzten hundert Jahren die Frage behandelt haben, offenbar dazu tendierten, die Tragweite des Widerstands als zu materialistisch und daher zu wenig prinzipiell zu bagatellisieren. Ich selbst habe mich, vor allem aufgrund der Briefe Morillons an Granvelle, ziemlich geringschätzig über bestimmte Facetten des Streiks der Brüsseler Bierbrauer, Händler und Handwerker geäuert. Ich glaube, dass ich nun meine frühere Sicht zum Teil revidieren muss. Die gemischten Gefühle, mit denen wir im Allgemeinen den Krämern und der Krämermentalität gegenüberstehen, dürfen doch die historische Interpretation nicht beeinflussen. Könnte das eher missbilligende Urteil über die Art des Widerstands nicht auch eine mehr oder minder bewusste Reaktion auf die Auffassungen vieler katholischer Autoren sein, die aus begreiflichen Gründen die Schuld am Aufstand gerne auf den Rücken des ach so bösen Alba luden und darum dem zehnten Pfennig eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkten ?
Denn je mehr man sich vor Augen hält, dass die Einhebung des zehnten Pfennigs und die wirtschaftliche Krise, die davon die Folge gewesen sein soll, nicht der historischen Wirklichkeit entsprechen, desto bedeutsamer wird die Stimmung in der Bevölkerung, in der der Widerstand gegen diese Steuer hauptsächlich wurzelte. Um die Gemütsverfassung unserer Ahnen kurz vor der Einnahme Den Briels zu verstehen, muss man meiner Meinung nach wissen, welche Gruppen Widerstand geleistet haben und warum. Ist es darüber hinaus denn nicht möglich und sogar wahrscheinlich, dass hinter dem scheinbar rein materialistischen Widerstand unzufriedener Steuerzahler sich auch ein Widerstand mit sehr komplexen Motiven verbarg ? Wenn allein schon die versuchte Einhebung und die Bezahlung einer Abgabe die Ablehnung und Missbilligung der ganzen Bevölkerung hervorrufen, sodass aus Angst vor diesen sozialen Sanktionen von einer effektiven Einhebung oder Bezahlung keine Rede mehr sein kann, ist man doch, wie es scheint, weit über das Stadium des rein materialistischen Widerstandes der Steuerpflichtigen hinaus. Damit es soweit kommt, musste die Steuer, die dem Widerstand zugrunde lag, zurecht oder zu unrecht als ungemein hoch und schädlich für das allgemeine Wohl angesehen werden. In diesem Zusammenhang muss ich neuerlich gegen eine Meinung auftreten, die sich seit Bakhuizen van den Brink durchgesetzt hat: demnach sei der zehnte Pfennig, sicher in seiner abgeänderten oder gemäigten Form, keine besonders hohe oder schädliche Steuer gewesen. Dabei argumentierte man hauptsächlich damit, dass die Generalstaaten in Hinblick auf das Einkassieren der jährlichen Bede von 2.000.000 Fl., die von August 1569 bis August 1571 der bereits bewilligte oder zumindest aufgezwungene zehnte Pfennig ersetzen sollte, Ausfuhrsteuern vorgeschlagen hätten, die Albas gemäigtem zehnten Pfennig zum Verwechseln ähnlich gewesen wären. Anhand der Sitzungsberichte der Ständevertretungen von Brabant und Flandern konnte ich feststellen, dass diese Betrachtungsweise teilweise richtig ist. Teilweise, denn bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, dass die für die Exporte schädlichen “gewöhnlichen Einnahmen” viel komplexer waren als der gemäigte zehnte Pfennig [7].
Im Folgenden nun einige Aspekte, auf die ich näher eingehen möchte.
Es wäre nicht schwierig, aber würde vielleicht doch zu weit führen, für jede einzelne Stadt in Flandern und Brabant nachzuweisen, dass der zehnte Pfennig nicht eingehoben wurde und dass die gegen ihren Willen angestellten Steuereintreiber, die oft zur unbeliebten Gruppe der Magistraten gehörten, meistens nicht einmal mit dem Einkassieren anzufangen wagten, trotz der stets bedrohlicher werdenden Sprache von Albas Verordnungen. Wagten sie es hier und da doch, ihre Aufgabe wahrzunehmen, dann zogen sie sich schnell wieder zurück, und die an sie gerichteten Beschimpfungen klangen ihnen dabei noch in den Ohren. Albas Strafandrohungen fielen gegenüber der Angst, von einer aufgebrachten Bevölkerung verfolgt oder sogar gesteinigt zu werden, nicht ins Gewicht. Die Volkswut richtete sich ebenso sehr gegen die amtierenden Schöffen, weil sie zwei Jahre davor beinahe überall dem zehnten und dem zwanzigsten Pfennig zugestimmt hatten. Im Winter 1571/1572 wagten sie kaum, die Steuereintreiber anzuweisen, mit der Einhebung zu beginnen. Wo sie es, unter dem nicht nachlassenden Zwang eines von Alba gesandten Sonderkommissars doch taten, z.B. in Gent, überlieen sie die Eintreiber völlig ihrem wenig beneidenswerten Schicksal. Sie wagten nicht, sich noch weiter zu kompromittieren. Das war jedoch im Frühling 1572 nur mehr schwer durchzuhalten, weil Alba forderte, dass die Stadtverwaltungen den Eintreibern mit Rat und Tat beistehen sollten. Aber trotzdem waren z.B. in Brügge, wo der Magistrat mutiger war als in Gent oder Antwerpen, die Eintreiber am 28. März 1572, also 3 Tage vor der Einnahme Den Briels, noch nicht vereidigt. In Brüssel, wo man bereits einen aufsehenerregenden Streik hinter sich hatte, belagerte der Magistrat Ende März/Beginn April buchstäblich die Schwelle des Generalvikars Morillon, um ihn dazu zu bewegen, die Verordnungen über den zehnten Pfennig aus kirchlicher Sicht zu verurteilen. Vor der Steuereinhebung mussten die Steuerpflichtigen schlielich einen Eid ablegen. Die Verleitung zum Meineid verursachte überall, vor allem in Flandern, beim Klerus groe Bedenken gegen den zehnten Pfennig. Morillon, der dem Widerstand lange mit Schadenfreude zugesehen hatte, begann sich vor allem nach Den Briel mit Recht Sorgen über die aufständische Stimmung zu machen und speiste darum den Magistrat mit leeren Versprechungen ab. “Je veoye bien qu’ilz vouloyent tirer les chastoignes hors du feu avec mes pattes” [ich sehe wohl, dass sie mit meinen Händen die Kastanien aus dem Feuer holen wollen], schrieb er an Granvelle. Kurz nach der Landung der Wassergeusen stellte er zu Recht fest: “… depuis que les magistratz sont estez commiz à l’exécution du Xme, leur auctorité est tombée par terre” [seit die Stadtverwaltung mit der Einhebung des zehnten Pfennigs begonnen hat, ist ihr Ansehen zerstört] [8]. Mit dem Wissen, dass die tatsächliche Einhebung mit Aufruhr gegen die Stadtverwaltungen einhergehen würde, veranlassten die Schöffen in Flandern und Brabant die Bischöfe und die Geistlichkeit im Allgemeinen dazu, bei Alba und dem König auf eine Aussetzung der Steuereinhebung zu dringen, zugleich brachten sie auch den Mut auf, eine Abordnung der Stände zu Philipp II. zu schicken. Von zwei Übeln wählten sie das kleinere.
In keiner einzigen flämischen Quelle (sei es in Erzählungen oder anderen Texten) findet man Hinweise auf eine tatsächliche Einhebung. Die Einheber begannen höchstens hier und da mit Vorarbeiten, die jemand, der die Modalitäten der Einhebung nicht aus den Verordnungen kennt, leicht mit dem eigentlichen Einkassieren der Steuer verwechseln kann. Zuerst musste nämlich eine Bestandsliste der Güter gemacht werden, auf die die Abgabe nach Verkauf fällig war. Die optimistischen Berichte über den Fortschritt des zehnten Pfennigs, die Alba an den König sandte, um seinen Gegnern am Hof den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurden immer wieder von diversen lokalen Quellen widerlegt. Darum möchte man zunächst dem Passus aus einem Brief vom 2. April 1572 wenig Glauben zu schenken, in dem der Landvogt seine Zufriedenheit darüber ausdrückt, dass in Doornik vom ersten Tag an seine Verordnungen ohne Murren zur Ausführung kamen. Man musste dafür nicht einmal die Hilfe der dort einquartierten spanischen Artillerieeinheiten in Anspruch nehmen. Was der dem zehnten Pfennig gegenüber stets zurückhaltendere Philipp II. über diesen für einen Soldaten typischen Charakterzug gedacht hat, lasse ich dahingestellt. Alba benützt die Gelegenheit, um den König dazu zu bewegen, die Abordnung der Provinzen nicht zu empfangen. Denn der Passus über Doornik ist ein weiteres Plädoyer dafür, dass der zehnte Pfennig Handel und Gewerbe keinen Schaden zufügt. In dieser Stadt, sagt Alba, in der, wie der König doch sehr gut wisse, die reformierte Sekte fest verwurzelt sei, herrsche gemä dem Bericht eines Regierungsbeamten die Meinung, dass der dreiigste Pfennig auf die Ausfuhr (das ist der gemäigte zehnte Pfennig auf den Export einheimischer Produkte) der lokalen Industrie nichts anhaben konnte, weil die Abgabe nicht den Produzenten belaste, sondern den Verbraucher oder Exporteur. Dagegen kann man einwenden, dass der zehnte Pfennig auf den Letztverkauf, laut Albas eigenen Instruktionen, nicht auf den Käufer abgewälzt werden durfte. Der Beamte in Doornik wurde von Alba mit einer raschen Beförderung belohnt, eben weil er sich, im Gegensatz zu den meisten anderen, nie pessimistisch über die möglichen Folgen des zehnten Pfennig geäuert hatte [10]. Ob die in Doornik und Douai angestellten Steuereinnehmer wirklich im Dezember 1571 etwas Ähnliches gesagt haben wie “lieber so sterben als von einer rasenden Gemeinde gesteinigt zu werden” [11], wie der Antwerpener Verfasser eines Tagebuches, Godevaert van Haecht, mitteilt, ist nicht nachprüfbar. Aber dieser Ausspruch passt besser zum damals herrschenden Klima als die Mitteilung eines nicht uneigennützigen Dieners der Zentralregierung an Alba.
Wenn ich mich bei diesem kürzlich herausgegebenen Passus eines Briefes von Alba länger aufhalte, dann deshalb, weil er wirklich einer der wenigen ist, aus denen abzuleiten ist, dass der zehnte Pfennig an bestimmten Orten doch zur Ausführung kam [12]. Doch muss er aus den oben erläuterten Gründen als wenig verlässlich angesehen werden.
Aus Chroniken und Tagebüchern aus derselben Zeit geht jedoch hervor, dass sich jeder Bericht über eine vereinzelt beginnende Tätigkeit der Steuereinnehmer, auch wenn sich diese auf das Aufstellen von Listen beschränkte, in den Niederlanden wie ein Lauffeuer verbreitete. Umso auffallender ist es, dass misslungene Einhebungsversuche, Streiks oder Streikdrohungen sehr wohl erwähnt werden, aber nie von einer tatsächlichen Einhebung der Abgabe die Rede ist. Wenn doch einmal erwähnt wird, dass man irgendwo mit der Einhebung begonnen hat, dann ist es zufällig nie in der Stadt, in der der Verfasser des Tagebuches sich aufhielt. So z.B. in der “Vlaamse Kronijk”, verfasst von einem katholischen und königstreuen Autor aus dem Gebiet von Dünkirchen. Dieser schreibt, dass man Ende März oder Anfang April 1572 an einigen Orten mit der Einhebung begann, eine Erwähnung, die offensichtlich auf alarmierende Berichte zurückgeht, die von anderen übernommen wurden, und die sicher nicht auf eigener Wahrnehmung beruht [13].
Vor der Einnahme Den Briels wurde in Gent, Brügge und Brüssel sicher noch kein Stuiver eingenommen. Mit den ländlichen Gebieten und den Kleinstädten, wo man, laut Berichten der von Alba eigens dafür angestellten Kommissare, keine Zahlungen beabsichtigte, bevor nicht die groen Städte zur Zahlung gezwungen wurden, konnte Alba sich aus Mangel an Zeit und Mitteln nicht direkt befassen.
In Antwerpen, wo die Schöffen wenig Mut an den Tag legten, scheint man gelegentlich Anstalten gemacht zu haben, um mit der Einhebung zu beginnen. Ende 1571 konnte Godevaert noch schreiben: “… elck hielt zyn borse toe en so quam daer dit jaer ander niet af” [jeder hielt seine Börse geschlossen, und so kam dort in diesem Jahr nichts heraus “] [14]. Als Anfang März 1572 in Antwerpen und Middelburg zwei namentlich genannte Zollbeamte – einer davon war mit der groen Zollabgabe in Seeland betraut -, endlich mit der Einhebung der 3,3%-igen Ausfuhrabgabe beginnen wollten, bekamen diese beiden Befürworter des zehnten Pfennigs unverzüglich Schwierigkeiten mit den Steuerpflichtigen. Der Antwerpener Zollbeamte wurde von Seeleuten angegriffen und entkam, wie Morillon berichtet, mit knapper Not dem sicheren Tode. Etwa um dieselbe Zeit wurden Wagen mit Waren für Frankfurt beschlagnahmt, kaum hatten sie die Stadttore Antwerpens hinter sich gelassen. Die Kaufleute, darunter viele Franzosen, weigerten sich, die Abgabe zu entrichten. Der französische Gesandte in Brüssel schritt ein und setzte sich mit dem Argument durch, dass gemä den letzten Vereinbarungen der Handel auf beiden Seiten nicht behindert werden dürfe. Inzwischen hatte man aus Angst vor Unruhen alle Wagen weiterfahren lassen. Es ging nämlich das nicht unbegründete Gerücht um, dass die fremden Kaufleute, in Gegensatz zu den einheimischen, in Zukunft der Ausfuhrabgabe entgehen könnten, was begreifliche Aufregung verursachte.
Es gibt übrigens noch genügend andere Daten, die dafür sprechen, dass der kaufmännische Klein-und Mittelstand, der sich hauptsächlich auf den mühsamen und immer noch riskanten Warenhandel verlegt hatte, dem zehnten Pfennig alles andere als gleichgültig gegenüberstand. Dass eine 10 %-ige oder (nach der “Moderation” vom 21. Oktober 1571) 3,3%-ige Exportsteuer die Kaufleute wenig bekümmert hätte, wie manche heutige Autoren meinen, wäre doch sehr verwunderlich. Wir befinden uns ja in einer Zeit, in der selbst finanzkräftige Kaufleute trotz des Risikos ihre Handelsware oft noch lieber dem Allmächtigen anvertrauten, als eine als zu teuer erachtete Seeversicherung abzuschlieen [15]. Was sie von einer Steuer gehalten haben, die den Absatz im Ausland zwangsläufig erschweren und ihre Gewinnmarge bedenklich vermindern musste, ist unschwer zu erraten. Die Tagebücher und Chroniken aus dem 16. Jahrhundert stammen bedauerlicherweise selten oder nie aus der Feder der im Handel aktiven Kaufleute, und Handelskorrespondenz ist, was Antwerpen betrifft, aus dieser Zeit praktisch nicht vorhanden. Allzu oft meint man, dass die Kaufleute bei den Sitzungen der Stände ihre Interessen direkt vertreten konnten, wenn schon nicht in den geschlossenen Sitzungen, bei denen die Vertreter der Geistlichkeit, des Adels und die Abgeordneten der städtischen Magistratsoligarchien zusammenkamen, dann doch in den städtischen Generalitäten. Es ist aber durchaus nicht sicher, dass z.B. die Antwerpener Kreisvorsteher, die das zweite Glied der Generalität bildeten, überwiegend aktive Händler waren. Ich glaube sogar, dass die Verpflichtungen, die auf den Kreisvorstehern lasteten, mit dem anstrengenden Leben eines Händlers in jener Zeit schwer zu vereinbaren waren. Man kann also sicher in den Resolutionen der Stände keine direkten Angaben über die Reaktionen des Kaufmanns auf den zehnten Pfennig finden. Dass er darüber alles andere als erfreut war, geht aber aus weiteren Teilen des Tagebuches Godevaert van Haechts hervor. Nachdem der Magistrat am 10. März 1572 die Steuereintreiber beauftragt hatte, dafür zu sorgen, dass jeder seinen Zahlungsverpflichtungen vor dem 1. April nachkäme, wurde es einige Tage für die Kaufleute schwierig, ihre Waren aus der Stadt hinauszubekommen und “veel getiers was er dagelyckx op de tollen” [es gab viel Getobe an den Zollstellen]. Schlielich lief es darauf hinaus, dass jeder ein schriftliches Zahlungsversprechen abgab, wenn die anderen Bürger, gemeint sind vermutlich die Handwerker, auch beginnen würden, den zehnten Pfennig abzuführen, und so wurde wieder Zeit gewonnen. Ende März berichtet Godevaert noch einmal, dass die Kaufleute ihre Waren mit dem Versprechen exportierten, die Abgabe später zu entrichten, falls es dann noch erforderlich wäre, denn zu diesem Zeitpunkt wartete man überall in den Niederlanden die Ergebnisse der nach Spanien geschickten Delegation ab. Ab April war nirgends die Rede von Einhebung, denn “ducdalf creech ander werck” [der Herzog von Alba bekam anderes zu tun], wie Godevaert van Haecht trocken anmerkt [16].
Gegen diese für Antwerpen äuerst negative Bilanz könnte man die Bittschrift anführen, die am 3. Juli 1572 in Spanien die Brabanter Abordnung an Hopperus übergab. Darin wurde u.a. darum gebeten, dass die Provinz von ihrem Bede-Anteil von 2 Mio. Gulden, die der zehnte Pfennig ersetzen sollte, den durch die alcabala (10%-ige Umsatzsteuer – Anm.d.Übers.) aufgebrachten Betrag abziehen dürfe [17]. Man muss aber berücksichtigen, dass die Abordnung im März aus den Niederlanden abgereist war, zu einer Zeit, wo Alba sehr stark auf Ausführung drang. Die Abgeordneten rechneten damit, dass während ihrer Abwesenheit sehr wohl etwas eingehoben würde, und trafen daher Vorsorge. Bei den weiteren Verhandlungen in den Niederlanden hört man übrigens nichts mehr von solchen oder ähnlichen Forderungen.
Bei all dem fehlt natürlich noch die Gegenprobe, aber auch die kann geliefert werden und zwar anhand der Rechnungen der Steuerbehörde in den Niederlanden, basierend auf den Archives Départementales du Nord (Rijsel). Daraus geht mit der gewünschten Deutlichkeit hervor, dass Einnahmen aus den Beden und den Domeinen selten so gering waren wie im Jahr 1572, dem Jahr, in dem doch die Gelder aus dem zehnten Pfennig hereinkommen mussten. 1572 betrugen die Einnahmen 835.000 Gulden – die Zahlen sind der Einfachheit halber gerundet. Dank der 1%-igen Kapitalsteuer (hundertster Pfennig) und der jährlichen Unterstützung von 2 Mio. Gulden wurden 1570 und 1571 der Regierung insgesamt 8.800.000 Gulden übergeben. Nie zuvor kam soviel Geld aus Spanien wie in den Jahren 1572 und 1573: mindestens ein Betrag in der Höhe von 6,5 Mio. Gulden (Mai 1572 bis August 1573), das entspricht 86,5 % des für Verwaltung und Kriegsführung aufgewendeten Budgets. Dank des auergewöhnlich hohen Beitrages der Niederlande war Spanien in den beiden vorangegangen Jahren nur mit 14,8 % bzw. 2,8 % beteiligt. Nach 1572 war der niederländische Beitrag an den Kosten der spanischen Kriegsführung durchwegs sehr gering, oft sogar unbedeutend. Manchmal waren die Geldsendungen aus Spanien höher als die gesamte Edelmetalleinfuhr aus Amerika [18].
Man kann natürlich vorbringen, dass die Einnahme von 1 Mio. Gulden, sei sie auch gering, doch von irgendwoher kommen musste, und warum dann nicht teilweise auch aus dem zehnten Pfennig. Dem kann u.a. entgegengehalten werden, dass im Jahr 1573 – einem Jahr, das der Staatskasse überhaupt keine Erträge brachte und in dem nur ergebnislos über die Mittel zur Aufbringung der neuen Bede diskutiert wurde -, die Einnahmen aus den Niederlanden trotzdem noch um gut 200.000 Gulden höher waren als 1572. Die für 1572 und 1573 festgelegten Beträge entsprechen den Einnahmen der ordinarischen Beden, die ständig zur Tilgung der Zinsen, und u.a. auch der ausständigen Beträge für die alle 2 Jahre fällige Bede von 2 Mio Gulden dienten. ‘s-Hertogenbosch beglich z.B. die Rückstände erst 1575, und das war nichts Auergewöhnliches [19].
Über die wirtschaftliche Malaise während der Herrschaft Albas muss ich mich notgedrungen sehr kurz fassen. Nicht nur die Resolutionen und Remonstrationen der Stände und Städte, sondern auch die Chroniken und Tagebücher und die Korrespondenz Morillons zeugen von einem lahmgelegten Wirtschaftsleben, Arbeitslosigkeit, Bettelei und Armut. Sie berichten auch über eine mörderische Epidemie im Jahr 1571 [20]. Unter den ungünstigen Faktoren, die ab 1567 wirksam wurden, möchte ich die Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit England von 1568 bis 1573 anführen. Denken wir nur daran, dass allein in Antwerpen mehr als 1600 Familien ihren Lebensunterhalt mit der Verarbeitung des unfertig aus England importierten Tuches verdienten und dabei sind die ebenfalls zahlreichen Färber nicht inkludiert [21]. Von 1568 an werden die Berichte über die Kaperfahrten der Wassergeusen und der Engländer besorgniserregend. Zu einer Zeit, als der Krieg zwischen Schweden und Dänemark noch nicht endgültig zu Ende war, wurde die Schifffahrt auf der Ostsee dadurch ernstlich gefährdet, denn im November 1571 mussten die aus der Ostsee kommenden Schiffe noch die gefährliche, zeitraubende und daher kostspielige Route über Skagen nehmen. Wegen der Freibeuterei war Alba überdies gezwungen, die Fahrt nach Westen zu organisieren und zu schützen. Im Frühling 1571 mussten die Schiffe, schwerbewaffnet und mit Begleitfahrzeugen, im Flottenverband nach Spanien fahren. Durch die Schwierigkeiten, die die Überseebeziehungen mit Andalusien behinderten, kam es in Holland zu einem Mangel an Salz, das nicht nur für die Konservierung von Heringen und anderen Fischen unentbehrlich war, sondern auch auf der Fahrt zu den Ostseegebieten die Hinfracht bildete, wo es dann hauptsächlich gegen Getreide getauscht wurde [22]. Rechnet man noch die furchtbaren Überschwemmungen im November 1570 hinzu, das unerträgliche Servitium für die spanischen Soldaten [23], das durch die Glaubensverfolgungen verursachte Klima der Unsicherheit, den relativ hohen Getreidepreis im Erntejahr 1571/1572, dann versteht man, dass 1571 ein besonders ungeeigneter Moment war, um mit der Einhebung einer Steuer zu beginnen, die die hohen Lebenshaltungskosten nur noch weiter in die Höhe getrieben hätte.
Leider steht, was die Gewerbeproduktion betrifft, nicht genügend Zahlenmaterial zur Verfügung, um den Verlauf der Krise nachvollziehen zu können. Es scheint, dass das wirtschaftlich und politisch ungünstige Klima den Aufstieg des flämischen Tuchgewerbes vielleicht gebremst, aber sicher nicht aufgehalten hat [24]. Zwar ging der Hondschooter Tuchexport zwischen 1568 und 1573 schrittweise um 14% zurück, um danach sehr schnell zusammenzubrechen, doch muss betont werden, dass im Zehnte-Pfennig-Jahr kein auffallender Rückgang zu verzeichnen war [25].
In Antwerpen spricht manches dafür, dass die Stadt ihre Blütezeit überschritten hat. Von 1567 an fällt der Mietenindex für gröere Wohnungen schnell und gleichmäig, während der für kleinere Häuser stagniert, was in einer Zeit allgemeiner Preissteigerungen an und für sich schon ein schlechtes Zeichen ist [26]. Auch hier zeigt sich, dass die drohende Einhebung des zehnten Pfennigs den Prozess in keiner Weise beschleunigt hat. Vor allem wohlhabende einheimische und fremde Kaufleute scheinen nach 1567 die Stadt verlassen zu haben, sei es aus religiösen, sei es aus rein wirtschaftlichen Gründen. Natürlich war das Wirtschaftsbarometer in Antwerpen besonders konjunkturabhängig. Sicher ist aber, dass vor und selbst nach Den Briel die Krise nicht so schrecklich war, wie Morillon es in seinen Briefen an Granvelle darstellt. Wir sahen ja schon, dass trotz der Weigerung der Kaufleute, den dreiigsten Pfennig auf die Ausfuhr zu bezahlen, die Waren nicht in Antwerpen liegen blieben. Auch fielen die Hausmieten 1571-1572 nicht von 300 auf 50 oder 60 Gulden [27]. Der Rückgang im Zehnte-Pfennig-Jahr war, wie gesagt, im Vergleich mit dem Vorjahr und vor allem mit den Folgejahren keineswegs auffällig. Dieselbe falsche Genauigkeit, die u.a. auf H. Pirenne groen Eindruck machte, spricht auch aus Morillons Bericht, wonach die wöchentlichen Zolleinnahmen in Antwerpen, die vorher zwischen 1200 und 2000 Gulden betragen hatten, Anfang März auf ein Niveau von 60 Gulden gefallen seien [28]. Die Abrechnungen des “Groen Wasserzolls” (“Grote Watertol”) zeigen ja deutlich, dass der Einbruch erst nach der Einnahme Den Briels kam, seit damals wurde die Scheldemündung von der Geusenflotte beherrscht [29].
Es ist einleuchtend, dass die Krise im Jahr 1572 und in den darauffolgenden Jahren andere und tiefere Ursachen hatte als den nicht eingehobenen zehnten Pfennig. Mehr muss in diesem Zusammenhang eigentlich nicht vorgebracht werden.
Obwohl im Gegensatz zur gängigen Meinung, die Reallöhne zur Zeit Philipps II. beträchtlich höher waren als unter der vielgepriesenen Regierung seines Vorgängers Karls V., steht andererseits fest, dass unter der Herrschaft Albas wegen der schlechten Konjunkturlage und der dadurch verursachten Arbeitslosigkeit bei den Handwerkern Grund für soziale Unzufriedenheit bestand. Für Antwerpen geht das jedenfalls deutlich aus der Studie E. Scholliers über die Entwicklung des Lebensstandards in dieser Stadt hervor. Von 1567 an sanken die Löhne aller gelernten Handwerker, sowohl der Meister als auch der Gesellen. Die Bestbezahlten, die im Allgemeinen politisch und religiös am engagiertesten sind, mussten den gröten Lohnrückgang hinnehmen. Anscheinend benutzten die ohnehin schon unbeliebten Schöffen die politische und religiöse Unterdrückung durch Alba, um die Löhne auf ein Niveau von vor zehn Jahren zu senken, während die Preissteigerung unvermindert andauerte [30]. Angst vor sozialen Unruhen brauchte man 1567 offenbar nicht mehr zu haben. Dieses Thema taucht erst im Zehnte-Pfennig-Jahr wieder auf. Wegen der Krise waren die Arbeitsplätze knapp, was auch die Löhne nach unten drückte. Zum Glück lagen die Getreidepreise ab 1567 besonders niedrig, sodass der Reallohn – für die Glücklichen, die Arbeit hatten – nahezu gleichblieb. Obwohl die Teuerung im Erntejahr 1571-1572 dem Vergleich mit dem zyklischen Krisenjahr 1565-1566 nicht standhalten kann, kam sie doch sehr ungelegen, denn man fürchtete, dass der zehnte Pfennig die Arbeitslosigkeit noch weiter ansteigen lassen würde [31].
Es scheint, dass die ungelernten Arbeiter, die zahlreichen “Unfreien”, die ersten Opfer jeder Krise, die im “Hungerjahr” 1566 noch als Volksmasse gedient hatten, nicht direkt am Widerstand gegen den zehnten Pfennig teilnahmen.
Es widersetzten sich vor allem die Handwerker, die etwas produzierten oder verkauften, wie die Bierbrauer, Krämer, Metzger, Schuster, u.s.w., zuerst innerhalb der städtischen Generalitäten, in denen sie das dritte oder vierte Glied bildeten, und zwei Jahre später durch ihre hartnäckige Weigerung, die Abgabe zu bezahlen, und mit Streiks, als es nicht mehr anders ging. Sie bildeten zusammen mit den Kaufleuten den harten Kern der Opposition gegen fiskale Manahmen, deren – wenn auch nicht einzige, so doch erste – Opfer sie zu werden drohten, was nicht bedeutet, dass dieser Widerstand oft nicht auch andere, unausgesprochene Beweggründe gehabt haben könnte. Denken wir nur daran, dass Wilhelm von Oranien später gerade bei den Gewerbetreibenden in den groen Städten des Südens seine treuesten und eifrigsten Anhänger finden sollte und andererseits dort die relativ höchste Anzahl an Reformierten zu finden war. Dazu möchte ich am Rande anmerken, dass in Gent am Vorabend des Bildersturms, wie die Hauptleute berichteten, nur eine kleine Minderheit der Mitglieder der Schützengilden sich bereit erklärte, im Fall von Unruhen die Geistlichkeit zu beschützen. Die Kalvinisten, ihre Sympathisanten und die lauen Katholiken waren damals schon viel mehr als eine aufsässige Minderheit, zumindest unter den Kaufleuten und den Handwerksmeistern. Das geht aus der unveröffentlichten Genter Dissertation von M. Delmotte über die sozialen Aspekte des Kalvinismus in Gent (1566-1567) hervor (“Sociale aspecten van het Calvinisme te Gent 1566-1567) [32]. Die darin getroffenen Feststellungen bestätigen die ebenfalls auf Zahlenmaterial basierende Studie von R. Boumans über die numerische Stärke der Katholiken und Protestanten in Antwerpen 1585 [33], also in einer späteren Periode. Dem kann man natürlich entgegenhalten, dass sich viele Handwerker und Kaufleute, erschreckt durch das Auftreten der verarmten Masse der “unfreien” Arbeiter im Jahr 1566, unter Alba vielleicht doch wieder an die Seite der Regierung gestellt hätten. Das einzige, was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass selbst wer nicht direkt mit dem Blutrat zu tun bekam, grötes Interesse daran hatte, sich ruhig zu verhalten. War denn nicht schon bewiesen, u.a. von Wilhelm von Oranien selbst, dass man Alba, die spanischen Truppen und die religiöse Unterdrückung nicht nötig hatte, um den sozialen Frieden wiederherzustellen ?
Es scheint unbestreitbar zu sein, dass unter Alba der Kern und der Antrieb der antispanischen Partei, ich meine damit die kalvinistische Kirchenorganisation, lahmgelegt war. Das ist vielleicht mit ein Grund, warum im Winter 1571-1572 das religiöse Motiv nie offen mit dem Widerstand gegen die hohe Steuer in Verbindung gebracht wurde. Auch als Folge der allgemein als unerträglich angesehenen Anwesenheit der Tercios (span.Truppenabteilung – Anm.d.Übers.) wurde der Nachdruck damals fast zwangsläufig auf den Kampf gegen die Fremdherrschaft gelegt, wofür der zehnte Pfennig ein neuer Beweis war. Es war viel weniger gefährlich, gegen die Einhebung einer Steuer, die doch vor allem zur Versorgung der verhassten Truppen beitragen sollte, Sturm zu laufen, als im Namen der Religion ins offene Messer zu laufen. Erst als die spanischen Heere sich wegen des ausständigen Soldes im Zustand der Auflösung befanden und Hab und Gut vor den meuternden Banden geschützt werden musste, wurde es möglich und sogar notwendig, selbst das Heft in die Hand zu nehmen, und die Pazifikation von Gent konnte unterzeichnet werden.
Ich persönlich finde es sehr auffallend, dass die Gruppen, die sich 1571 am heftigsten dem zehnten Pfennig widersetzten, genau die waren, die unter Wilhelm von Oranien die Macht in den groen Städten ergriffen, wenn auch nur eine starke Minderheit die Absicht hatte, sie zu kalvinistischen Republiken umzuformen. Unter Alba leisteten der kaufmännische Klein- u. Mittelstand und die Handwerker Widerstand gegen die spanische Repressionspolitik schlechthin, auf dem einzigen Gebiet, auf dem dies damals überhaupt möglich war. Selbst bei denen, die an der Bewegung ohne religiös-politische Nebenabsichten, also hauptsächlich aus materiellen Gründen, teilnahmen, setzte dies einen gewissen Mut voraus. Meines Erachtens ist das negative Urteil über diese Aktion vonseiten mancher Verfasser von Geusenliedern und verschiedener Geschichtsschreiber aus dem 16. und 17. Jh. und auch aus heutiger Zeit nicht gerechtfertigt.
Der idealistische Standpunkt, der in manchen Geusenliedern schon kurz nach den Ereignissen von 1572 eingenommen wird, verrät vor allem die Enttäuschung darüber, dass es nach Den Briel nicht zu einem allgemeinen offenen Aufstand gegen die Spanier kam, dafür war die Situation zu diesem Zeitpunkt noch nicht reif [34]. Im Süden war eine solche Unternehmung wegen der spanischen Garnisonen in den Städten und wegen der Anwesenheit der hauptsächlich dort konzentrierten Heeresmacht praktisch ausgeschlossen. Und doch haben auch dort manche Städte, darunter das als sehr katholisch angesehene Mecheln, ihre Tore geöffnet, um eine Garnison des Prinzen einzulassen, und sich so der Rache Albas ausgesetzt, die übrigens nicht lang auf sich warten lie.
Fest steht, dass Wilhelm von Oranien, der von März an in Manifesten ankündigte, das Land vom zehnten Pfennig zu erlösen [35], ebenso wie die Geusenpropaganda die Bedeutung der Opposition gegen den zehnten Pfennig noch keineswegs unterschätzten oder verkannten. Das Motto
“So is het geld ende goed
Des menschen ziel ende bloed” [36]
[So ist Geld und Gut des Menschen Seele und Blut]
kam erst später auf.
Sicher ist es ebenso wenig zutreffend, den zehnten Pfennig als Hauptursache für Wilhelms Erfolge nach 1572 anzusehen, wie das manche katholische Autoren, angefangen mit Viglius, taten, obzwar auch im katholischen Lager keine völlige Einigkeit darüber herrscht [37]. Bei denen, die die Ereignisse selbst miterlebt hatten, trifft man sogar einige Autoren an, die wie die Kalvinisten, aber mit einer völlig anderen Absicht, den zehnten Pfennig nicht als die wirkliche Ursache des Aufstands sehen wollten. Die das tun, so Laurent Metsius, Bischof von ‘s-Hertogenbosch, “ilz errent grandement et allèguent cause pour non-cause” [irren sehr und sehen einen Grund als einen Nicht-Grund”]. Seiner Meinung nach war die Steuer nur ein Vorwand, und lag den Aufständischen vor allem die freie Ausübung des reformierten Glaubens am Herzen. Haben sich die Rebellen denn nicht sofort auf Kirchen und Klöster gestürzt, und hat der Prinz von Oranien nicht nach 1576 noch höhere Steuern verlangt ? [38]
In seiner “Apologie” erachtet er es für notwendig, nicht weniger als dreimal ausführlich auf den zehnten Pfennig zurückzukommen [39], was unverhältnismäig viel ist, vor allem wenn man bedenkt, dass heute die meines Erachtens falsche Meinung geäuert wird, dass in der Literatur über den Aufstand die Steuer nahezu nicht erwähnt wird.
Es ist von groer Bedeutung, dass der Prinz sich gegen einen Vorwurf verteidigen zu müssen glaubt, der nur aus dem Lager der strengen Kalvinisten stammen konnte, nämlich dass er den Staaten Beistand geschworen hätte, “… so verre de Hertoghe van Alva de selve soude willen fortseren ende bedwinghen tot den tienden ende twintighsten penninghen” [sofern der Herzog von Alba seine Politik durchsetzen und den zehnten und zwanzigsten Pfennig erzwingen wollte]. Dieses seltsame Versprechen soll er bei seiner Ankunft in Holland gegeben haben, aber “… dat en sal met der waerheit also niet bevonden werden, maer wel is waer dat wy daerom expresselick ten anderen maele binnen ‘t landts syn ghekommen om ‘t land te verlossen van de tyrannye daer ‘t alreede mede verdruckt was” [das würde nicht der Wahrheit entsprechen; wohl sei aber wahr, dass wir ins Land gekommen sind, um es von der Tyrannei zu erlösen, unter der es litt]. Er möge dann weiterhin wahrheitsgetreu behaupten, dass es “nicht allein” gegen den zehnten Pfennig ging, sondern vor allem gegen die blutigen Glaubensverfolgungen – sicher ist, dass er, sowohl im Frühling 1572 wie auch lang nach den Ereignissen, den Widerstand gegen Albas Steuern als einen wichtigen Trumpf in seiner Hand ansah. Er sah darin mehr als nur einen politischen Vorwand.
Kein Wunder, dass auch die protestantische Geschichtsschreibung im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert über die Bedeutung des Widerstands gegen den Zehnten Pfennig sehr uneins war. Hooft, der die Frage ausführlich behandelt, nimmt keinen Ansto an den materiellen Motiven des Widerstands gegen eine Steuer, die auch die “Roomsche weeder … nae de lucht der vryheit derwaarts (deed) gaapen” [die auch die Katholiken wieder nach der Luft der Freiheit schnappen lie]. War es denn nicht würdelos, dass die Niederlande ihre eigene Sklaverei finanzieren mussten ? Sklaven sollten normalerweise doch von ihren Herren gekauft und versorgt werden [40] ! Grotius beobachtet gelassen (oder verächtlich), dass es zwischen Menschen kein engeres Band gibt als Eigeninteresse. Was die Glaubensverfolgungen nicht vermocht hatten, kam dank dieser Steuer zustande, wie Alba selbst wortreich an Philipp II. geschrieben hatte [41]. Für Grotius sind es dennoch die “kühnen” Taten der Brüsseler Kaufleute und Händler, die dem Prinzen von Oranien den Mut gaben, wieder Taten zu setzen [42].
Demgegenüber steht die rein religiöse Betrachtungsweise, die am stärksten bei E. van Reyd (Reidanus) zum Ausdruck kommt, einem 1567 vor Alba in den Norden geflüchteten Rechtsgelehrten. Dieser sagt ausdrücklich: Manche meinen, dass nicht die Religion, sondern der zehnte Pfennig die Ursache des Abfalls der Niederlande wäre, der, so schreibt er, lange im vorhinein von den Emigranten vorbereitet wurde. Wenn das stimmt, dann hat es sicher die Strafe Gottes für jene verschärft, die eher um ihrer irdischen Güter willen rebellierten, als um das Heilige zu verteidigen. Die Bestraften sind in seinen Augen die Südniederländer, die sich nach der Rückeroberung durch Farnese wieder der spanischen Macht beugen müssen. Die Fantasie geht völlig mit ihm durch, wenn er zum Schluss nochmals behauptet, dass die allgemeine Empörung über den zehnten Pfennig in den Städten, anscheinend wegen ihrer materialistischen Gründe, den Weg für die Union von Atrecht geebnet hätte [43].
Auch ohne diese alte Polemik über die wahre Bedeutung des Widerstands gegen Albas Steuerpolitik, die noch bis heute das Urteil der Historiker mitbestimmt, ist es bei weitem nicht einfach fest zu stellen, wer rebelliert hat und welche Motive, auer rein materiellen, dabei mitgespielt haben. Diese Motive sind zweifellos, je nach den betrachteten Gruppen und Einzelpersonen, sehr verschieden. Manche Irrtümer sind u.a. auf eine auch heute noch ungenügende Kenntnis der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Gesellschaft im 16. Jh. zurückzuführen. Bezeichnungen wie Bürgertum, Volk, Kaufmannsstand, u.s.w. werden zu oft verwendet, ohne dass der Leser, und vielleicht auch der Autor, genau wei, was sie bedeuten. Die Gruppe der städtischen Magistraten soll z.B. Wortführer des Bürgertums gewesen sein. Aber welches Bürgertum ist damit gemeint ? Noch bedenklicher ist es, wenn das von den Einnahmen aus Grundbesitz und Häusern lebende Patriziat gleichgesetzt wird mit dem Kaufmannsstand. Wohlhabende Handwerksmeister nennt man oft einfach Kaufleute, obwohl das nur in einigen Fällen zulässig ist. Und was ist das Volk ? Einmal meint man mit dieser Bezeichnung den sogenannten Pöbel, der in Jahren hoher Lebenshaltungskosten manchmal zu Wahnsinnstaten imstande zu sein schien, dann wieder werden darunter Handwerker verstanden, Meister oder Gesellen, die mit den Ersteren nichts gemein hatten oder haben wollten, weil sie, vielleicht noch mehr als der Adel, Ruhe und Ordnung hochschätzten. So ist es mir z.B. nicht ganz klar geworden, was H. A. Enno van Gelder meint, wenn er den Schluss zieht, dass sich die Geistlichkeit und die Kaufleute am heftigsten gegen den zehnten Pfennig auflehnten.
Die Geistlichkeit kann man auer Acht lassen. Sie wäre sicher nicht in Aktion getreten, wenn nicht die Handwerker und Kaufleute zuerst aufgetreten wären. Dasselbe kann man auch vom Adel und sogar vom städtischen Magistrat sagen. Die Bischöfe, besonders die erst kürzlich Ernannten, fürchteten vor allem, dass Albas Steuerpolitik der Kirche schaden würde. Bleiben also die Kaufleute. Damit können aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die zahlreichen groen, kleinen und mittleren Handelsbetriebe gemeint sein, die sich u.a. auf den Export ins Ausland verlegten, denn diese hätten sich nur wenig um den zehnten oder später den dreiigsten Pfennig gekümmert – eine Meinung, die ich, wie gesagt, nicht teile. Wenn der Autor dagegen, was wahrscheinlich ist, an die Handwerksmeister denkt, die das dritte oder vierte Glied der Kleinen und Groen Räte bildeten und in Brüssel z.B. zum Streik übergingen, dann ist die Bezeichnung “Kaufleute” nicht adäquat.
Aus meinen Ausführungen ist nun, wie ich hoffe, zur Genüge hervorgegangen, welche Gruppen am hartnäckigsten Widerstand geleistet haben, nämlich die Gewerbetreibenden und die Kaufleute. Ich will nun noch stärker als bisher unterstreichen, dass auch diejenigen, die den zehnten Pfennig nur aus wirtschaftlichen Gründen ablehnten, d.h. ohne die geringste politische oder religiöse Nebenabsicht, völlig im Recht waren. Denn der zehnte Pfennig war tatsächlich, auch in seiner moderatesten Form, noch immer eine auergewöhnlich hohe Steuer. In einer Zeit, wo der Handel groteils noch unsicher und sogar abenteuerlich war, brauchte es nicht sehr viel, seine Kontakt- oder Schwerpunkte an andere Orte zu verlegen. Mehr und mehr kommt man zur Einsicht, dass der kaufmännische Klein- u. Mittelstand, der doch den gröten Teil des Warenumsatzes kontrollierte, im 16. Jh. beileibe kein sorgloses Leben führte. Die Meere waren alles andere als sicher, die Versicherungen teuer und bei weitem nicht ausreichend, Kredite knapper als man dachte. Der Geldumlauf war zu langsam für den Bedarf, und viel verfügbares Kapital hatten die meisten Kaufleute nicht in Reserve, abgesehen von einigen wenigen Riesenfirmen, auf die man sich bis in die jüngste Vergangenheit allzu sehr konzentrierte. Sicher konnten sich die Händler, die für den Absatz unserer Produkte im Ausland sorgten, nicht ohne weiteres mit einer 10%-igen oder 3,3%-igen Preiserhöhung schadlos halten, denn sie hatten nicht selten mit ausländischer Konkurrenz zu rechnen [44]. Die Ausfuhrabgabe begleichen zu müssen, noch bevor ein Käufer gefunden war, der überdies nur selten bar bezahlte, ist, angesichts des häufig vorkommenden Bargeldmangels, ein viel schwerwiegenderes Handikap, als man im Allgemeinen glaubt. Diese Bedenken wurden Alba in Remonstrationen vorgelegt. Der katholische, Dünkirchner Autor der “Vlaamse Kroniek” urteilt aus seinem besonderen Blickwinkel heraus, dass die effektive Einhebung des zehnten Pfennigs unaufhaltsam zur Folge hätte: “…totale ruyne der visscherye ende coppvarderye, twelcke de pilaren zyn daer dese landen op rustende zyn, consideerende dat wy maer en zyn de boyen ende packhuyzen der goeden ende coopmanscepen van andere landen, omme duer verbeyt (naarstigheid) ende industrye de zelve tot perfectie ghebrocht te werden. Want anders van ons selven zeer weynich hebben om ons te behelpen” [den totalen Ruin der Fischerei und der Handelsschifffahrt, welche die Pfeiler bilden, auf denen dieses Land ruht, wenn wir bedenken, dass wir die Lagerhäuser für die Waren und Handelsschiffe aus anderen Ländern darstellen, und es dabei mit Flei und Geschick zur Perfektion gebracht haben. Denn sonst hätten wir aus uns selbst heraus sehr wenig, um uns zu erhalten.] [45]. Übertrieben und unbeholfen, ja, aber es steckt doch ein wahrer Kern in dieser Argumentation, die sicherlich widerspiegelt, was die Kaufleute und Reeder über die wirtschaftliche Situation der Niederlande dachten. Man darf nicht vergessen, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. die niederländischen Produkte, in denen oft ausländische Grundstoffe verarbeitet waren, einen wachsenden Anteil am Export hatten.
Für die Händler und Gewerbetreibenden war es nicht schwer, für ihren eventuellen Schaden die Verbraucher aufkommen zu lassen, ein Argument, das man übrigens nicht nur bei Morillon, sondern auch in den Berichten der Ständeversammlungen antrifft [46]. Man bedenke aber, dass die allgemeine Kaufkraft wegen der “schlechten Zeiten” ohnehin schon genügend geschwächt war. Der durch die Einhebung des zehnten Pfennigs verursachte Verlust musste letztendlich zwischen den Handwerkern und dem Verbraucher aufgeteilt werden.
Entgegen landläufiger Meinung soll der zehnte Pfennig jährlich einen für diese Zeit immensen Betrag an die Staatskasse geliefert haben. Das geht u.a. sehr deutlich aus einem begeisterten, ja sogar überschwänglichen Brief Albas vom 19. Oktober 1571 – da war er seiner Sache noch sicher – hervor, gerichtet an Garnica, Contador im Consejo de Hacienda und im Consejo de Contaduria [47]. Er wollte ihn und dadurch indirekt auch den König definitiv für seine Steuerpolitik gewinnen [48]. Denn es scheint, als zweifelte Philipp II. daran, dass der zehnte Pfennig ein “negocio … tan grande como yo tengo escripto” [ein so groes Geschäft, wie ich geschrieben habe] war. Darum legt Alba Zahlen vor, zum Beweis, dass trotz der Moderation, die Einnahmen aus dem zehnten Pfennig immens sein würden. Er geht sogar so weit, den zehnten Pfennig auf den ersten Verkauf auer Acht zu lassen, um seine Argumentation zu erhärten. Er schätzt die täglichen Pro-Kopf-Ausgaben in den Niederlanden auf durchschnittlich 10 Maravedis (das sind ungefähr 1,5 Stuiver), was sicher nicht übertrieben ist. Die Gesamtbevölkerungszahl schätzt er jedoch auf 5 Mio. – zweimal so hoch wie in Wirklichkeit. Wenn der zehnte Pfennig nur ein einziges Mal auf jedes Produkt eingehoben würde, was nicht der Fall sei, brauche man nur auszurechnen, wie viel die alcabala einbringen werde, ruft Alva Garnica triumphierend zu. Ich habe es berechnet: 13,6 Mio. Gulden. Halbieren wir diesen Betrag, denn die Niederlande hatten weniger Einwohner, als der Landvogt dachte, und teilen wir das Ergebnis nochmals durch zwei, denn Alba musste kurz darauf wegen der Teuerung das Getreide von der Steuer ausnehmen, dann kommt man auf den immer noch hohen Betrag von 3,4 Mio. Gulden. Soviel hatte die 1%-ige Kapitalsteuer (der hundertste Pfennig) eingebracht, die höchste Steuer, die die Niederlande bis damals der Regierung zugestanden hatten. Am 19. Oktober 1571 sah Alba 13,6 Mio. Gulden als Minimum an, weil der erste Verkauf und auch die späteren nicht miteingerechnet wurden. De facto beschränkte er die Abgabe dann auf den ersten und letzten Verkauf, und in vielen Fällen wurde der erste Verkauf sogar von der Steuer befreit. Trotzdem kann die jährliche Einnahme auf mehr als 4 Mio. Gulden geschätzt werden. Aber das ist noch nicht alles. Denn dazu muss noch die Abgabe auf die aus dem Ausland für den Verkauf im Inland importierten Waren gerechnet werden, also meist Luxusartikel, bestimmt für die, die mehr als 1,5 Stuiver pro Tag dafür aufwenden konnten. Der Wert der Güter repräsentiert “una summa grandíssima” [eine äuerst hohe Summe], die genaue Zahl “parescería fábula” [erschiene märchenhaft]. Davon erwartete Alba also auch einige Millionen, zusätzlich zu dem bereits erhofften Minimum von 13,6 Mio. Gulden. Schlussendlich kommen noch die Einnahmen aus dem zehnten Pfennig auf Güter aus niederländischer Erzeugung dazu. Der Herzog lie den Gesamtwert von Pedro de Arcauty, dem Zahlmeister der spanischen Truppen, schätzen. Der kam auf die Zahl von 47.072.387 Gulden [49]. Ein groer, aber nicht genau zu berechnender Teil davon war für den Export, und nicht nahezu alles, wie Alba dem König sagte. Der zehnte Pfennig auf diese Ausfuhr hätte laut dem Landvogt noch einmal 4 Mio. Gulden abgeworfen. Mit der späteren Reduzierung auf 3,3% werden es ungefähr 1,3 Mio. Gulden.
Unter Berücksichtigung aller noch folgender Moderationen kann man anhand dieser Zahlen die möglichen Gesamteinnahmen auf etwa 6 Mio. Gulden schätzen, wozu natürlich die nicht unbeträchtlichen Einnahmen aus dem zwanzigsten Pfennig auf die Übertragung von unbeweglichen Gütern hinzugerechnet werden müssen. Alba selbst erwartete im Oktober 1571 nicht weniger als 20 Mio. Gulden, eine wahnwitzige Zahl. Was hätte der zehnte Pfennig in seiner Rohfassung 1569 dann nicht einbringen müssen ? Seine im übrigen undenkbare Einhebung wäre tatsächlich auf eine “épouvantable désastre” [schreckliche Katastrophe] hinausgelaufen, um mit den Worten H. Pirennes zu sprechen, und auch mit dem moderiertesten zehnten Pfennig war die Gefahr einer wirtschaftlichen Katastrophe kein Hirngespinst. Nur Alba – ohne den heutigen Historikern zu nahe treten zu wollen – dachte anders darüber. Wenn er seine wahnsinnigen Forderungen mit der Zeit mäigte, dann liegt das hauptsächlich am Widerstand, auf den er überall stie. Was seit Bakhuizen van den Brink, auch von mir selbst, über das Verständnis des Herzogs für die wirtschaftlichen Interessen der Niederlande geschrieben wurde, ist nicht stichhaltig. Das geht deutlich aus Inhalt und Ton des eben analysierten Briefes hervor. Man kann verstehen, dass Finanziers den zehnten Pfennig gerne für die ansehnliche Summe von 4 Mio. Gulden pro Jahr gepachtet hätten und dem König dabei noch ein Viertel dessen gelassen hätten, was über diesen Betrag hinaus eingehoben worden wäre. Es betrifft nicht einmal den gesamten zehnten Pfennig, denn aus demselben Brief geht hervor, dass die Finanziers, vielleicht aus steuerlichen Gründen, nur an der Einhebung auf den Letztverkauf interessiert waren. Auch die Ausfuhrsteuer war in der angebotenen Pachtsumme nicht inbegriffen, die konnte also noch Gegenstand einer separaten Abmachung sein [50].
Albas Schreiben, in dem die gute Nachricht angekündigt wurde, stie in Madrid nicht auf die erwartete Euphorie. Am 24. Dezember dankte der Landvogt dem Contador Garnica vielmehr für seinen Rat, die Forderungen zu mäigen. Gleichzeitig hörte man, dass auch Philipp II. in diesem Sinn geschrieben hatte. Dennoch brachte Alba wieder seine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck, den zehnten Pfennig bis zu dem damals erreichten Stadium durchgesetzt zu haben. Das einzige aber, was er selbst nicht tun konnte, um die Sache zu einem guten Ende zu bringen, war “ir de casa de mercader en mercader a hacer la colectacion” [von Kaufmann zu Kaufmann zu gehen, um die Steuer einzutreiben] [51]. Tatsächlich krankte es bei dieser Steuer daran, dass sie so unverschämt hoch war, dass selbst der geduldigste Brüsseler sich lieber der Verfolgung aussetzte als sie zu bezahlen.
Zweifellos war Alba ein ehrlicher, wenn auch eigenwilliger und harter Diener seines Königs, den er mithilfe einer ständigen hohen Steuer – ein bewährtes Rezept – zum absoluten Herrscher über die Niederlande machen wollte. Sein Einblick in wirtschaftliche und steuerliche Probleme reichte aber nicht weiter als der eines Durchschnittssoldaten, ihm mangelte es an Weitblick. Ganz allein wollte Alba etwas durchsetzen, wofür sich niemand sonst finden lie. Glückwünsche durfte er dann nicht erwarten, auch nicht aus Spanien. Aus den angeführten Briefen geht hervor, dass die aufeinander folgenden Moderationen meistens nicht von wirklicher Sorge um die wirtschaftlichen Interessen der Niederlande getragen waren, sondern vielmehr als Konzessionen gesehen werden müssen, um den König und seine Ratgeber zu beruhigen. Aufgrund des vermeintlichen Unverständnisses, auf das er überall stie, war der Landvogt dazu bereit, Ballast abzuwerfen, um sein groes Ziel doch noch verwirklichen zu können: die spanische Politik im Norden von den Niederlanden selbst finanzieren zu lassen und zugleich die Ständevertretungen auszuschalten [52].
Es wurde ein absoluter Misserfolg, so dass der Absolutismus bei uns nie tiefe Wurzeln geschlagen hat. Vor allem nicht im Norden, aber auch nicht im Süden, wo die Provinzialstände die Mitsprache, die sie seit Beginn der Regierung Karls V. Schritt für Schritt erobert hatten, im 17. Jh. weiter ausbauten [53].
Diese Ständevertretungen hatten sicher immer viel mehr das unmittelbare Gruppeninteresse im Sinne als das allgemeine Wohl. Ich glaube dennoch nicht, wie z.B. Fruin und andere nach ihm, dass fürstlicher Absolutismus die progressistische Tendenz schlechthin war, und ganz bestimmt nicht in Regionen, wo die Gruppe der Kaufleute und Unternehmer stark genug war, um ihre eigenen Interessen zu vertreten, wie das in den Niederlanden und in England der Fall war. Frankreich blieb trotz des Colbertismus, sogar im Vergleich mit den südlichen Niederlanden bis tief ins 18. Jh. hinein wirtschaftlich rückständig, und mit Spanien und Mitteleuropa stand es noch schlechter. In den südlichen Niederlanden trafen die Provinzen und die Städte auf lokaler Ebene viel flexiblere und wirksamere Manahmen zur Förderung von Handel und Gewerbe als die bürokratische Regierung unter Ludwig XIV. in Frankreich.
Albas Vorgehensweise zur Stärkung des Absolutismus in den Niederlanden war bestimmt nicht die richtige. Die Verhältnisse zwischen den sozialen und politischen Machtgruppen lagen hier völlig anders als in Spanien. Es war falsch, mit dem Aufoktroyieren von Steuern zu beginnen, die den Lebensnerv von Handel und Gewerbe trafen. Anstatt das Wirtschaftsleben zu behindern, hätte es vor der technischen Revolution vielmehr überall stimuliert werden müssen. In der 2. Hälfte des 16. Jh. begann sich die Expansion zu verlangsamen. Darum gingen die meisten europäischen Staaten bewusst in Richtung Protektionismus. Albas zehnter Pfennig war also durchaus keine fortschrittliche Manahme, um den Staatshaushalt auf effizientere Grundlagen zu stellen. Das war in gewissem Mae die von Alba nicht erfundene, aber doch durchgesetzte 1%-ige Kapitalsteuer sehr wohl. Die Einnahmenrechnungen zeigen übrigens, dass der hundertste Pfennig so gut wie ausschlielich die unbeweglichen Güter getroffen hat, denn seine tatsächliche Einhebung auf das bewegliche Kapital der Kaufleute war beinahe ebenso erfolglos wie der zehnte Pfennig (nicht mehr als 5,7% der Gesamteinnahmen in Brabant) [54].
Gerecht und fortschrittlich war in dieser Zeit vor allem die Besteuerung der unbeweglichen Güter. Nur diese holte das Geld dort, wo es war, nämlich bei der Geistlichkeit, dem Hochadel und nicht zuletzt beim städtischen Patriziat und den gutsituierten Kaufleuten, die den Groteil ihres Kapitals schon in Häuser, Grundstücke und “Renten” (Wertpapiere) investiert hatten. Aber Abgaben auf unbewegliche Güter trafen gerade die Gruppen, die die Ständevertretungen faktisch beherrschten …
Als nach der Pazifikation von Gent das in Handel und Gewerbe tätige Bürgertum und die seit Karl V. vieler ihrer wirtschaftlichen und politischen Vorrechte beraubten Handwerkergilden wieder Mitspracherechte bekamen, wurde Albas hundertster Pfennig auf die unbeweglichen Güter wieder eingeführt. Auerdem wurden noch andere sehr hohe Abgaben auf Häuser und Grundstücke eingeführt, was im Süden nicht wenig zur Aussöhnung der Grundbesitzer mit Spanien beitrug.
Vielleicht bin ich ein wenig vom eigentlichen Thema abgeschweift. Meine Absicht dabei war, deutlicher aufzuzeigen, dass der Widerstand gegen den zehnten Pfennig mehr war als das übliche Gemurre wegen einer hohen Steuer. Man kann sich die Frage stellen, ob sich unsere Vorväter der Tragweite ihres Widerstands voll bewusst waren. Die Antwort lautet wahrscheinlich: nein. Aber gibt es neben der Geschichte der reinen Fakten nicht noch eine andere, die der Aufmerksamkeit der Zeitgenossen, und oft auch der Geschichtsschreiber, entgeht ? Der französische Historiker F. Braudel sagt darüber, wie ich meine, sehr prägnant: “ils font l’histoire, mais l’histoire les emporte” [sie machen Geschichte, aber die Geschichte reit sie mit sich mit] [55].
Ich stelle fest, dass ich den Widerstand gegen den zehnten Pfennig, dessen Bedeutung ich früher mithalf zu schmälern, rehabilitiert habe oder zumindest versucht habe, dies zu tun. Ich versuchte, so denke ich doch, nachzuvollziehen, was die Zeitgenossen im zehnten Pfennig sahen oder sehen konnten. Die Einhebung des zehnten Pfennigs ist ein Mythos wegen des Widerstands, der sehr real war. Sicher kann man die Sache zum Teil auch anders sehen. Das tat ich früher auch. Man kann z.B. auf einem ganz anderen Gebiet auch feststellen, dass Granvelle Unrecht getan wird, dass Egmont sich schon vor 1564 dessen schuldig machte, was ihm in der Anklageschrift zur Last gelegt wurde, und kürzlich hat man das auch getan [56]. Leider waren die Zeitgenossen schlecht informiert oder parteiisch. Sie haben ja den Aufstand begonnen. Vielleicht hätte sie der Anstand davon abhalten müssen, wegen einer Steuer soviel Aufhebens zu machen, und das hat man auch sehr schnell eingesehen. Aber wer würde zu behaupten wagen, dass der Aufstand denselben Verlauf genommen hätte, wenn unsere Vorfahren die Chance vorbeigehen hätten lassen, sich der Einhebung des zehnten Pfennigs zu widersetzen, die Albas Heermacht beträchtlich gestärkt hätte ? Letzteres natürlich unter der Voraussetzung, dass das Land eine so unwahrscheinlich schwere Last tragen hätte können.
Nachtrag:
Seit 1962 veröffentlichte ich zum selben Thema “La portée fiscale et politique du 100 e denier du duc d’Albe”, in: Acta Historica Bruxellensia, I, Recherches sur l’histoire des finances publiques en Belgique (Brüssel, 1967) S. 343-374. Im Druck ist nun “De moeizame definitieve afschaffing van Alva’s tiende penning”, im 1975 zu erscheinenden Album Ch. Verlinden . Hier wird die Aufmerksamkeit auf die Pressure Groups in Madrid und in den Niederlanden gerichtet. Die Erfolge und vorläufigen Niederlagen der Aufständischen werden u.a. mit den wechselnden politischen und finanziellen Prioritäten in Zusammenhang gebracht, die Madrid abwechselnd dem Mittelmeer (Osmanische Türken) und der imperialistischen Machtpolitik in Nordwesteuropa beima. Siehe dazu G. Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road , 1561-1659 (Cambridge, 1972).
Aus dem Artikel von A. W. Lovett, ” Some Spanish attitudes to the Netherlands (1572-1578) “, in: TvG , 85 (1972), 17-30, geht nicht hervor, dass in Simancas noch viel unveröffentlichtes Material über den Kampf zwischen Befürwortern und Gegnern der Steuerpolitik Albas zu finden ist.
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Anmerkungen:
[1] “Over den Tienden Penning”, in: Studiën en Schetsen (Amsterdam 1863) 1, 381-483.
[2] “De Tiende Penning”, in: TvG , 48 (1933), 1-36 und 120-144.
[3] J. Craeybeckx, “Aperu sur l’histoire des impôts en Flandre et au Brabant au cours du XVIe siècle”, in: Revue du Nord , 29 (1947) 87-108; Idem , “De Staten van Vlaanderen en de gewestelijke financiën in de XVIe eeuw”, in: Handelingen der Maatschappij voor Geschiedenis en Oudheidkunde te Gent , no. 4 (1950), 78-119.
[4] Histoire de Belgique (7 Teile; Brüssel, 1927), IV, 24.
[5] L’esprit particulariste et la révolution des Pays-Bas au XVIe siècle (Leuven, 1936), 33.
[6] “Anvers au XVe et XVIe siècles; expansion et apogée”, in: Annales, économie-sociétés-civilisations , 16 (1961), 248-278.
[7] J. Craeybeckx, “De Staten van Vlaanderen”, passim . Die Gruppen, die die Ständevertretungen in Brabant und Flandern beherrschten, waren für “allgemeine Mittel”, das sind in allen Gebieten gleiche Steuern. Auf diese Weise hofften sie, auf nationaler Ebene Steuern durchzusetzen, die ihren eigenen Interessen entsprachen. Aus steuertechnischer Sicht war Albas zehnter Pfennig ein “allgemeines Mittel”. Die Nachteile dabei waren aber, dass es eine ständige Steuer war, die ein für allemal genehmigt werden musste, wodurch der Herrscher die Staaten nicht mehr hinzuziehen musste, und dass der Ertrag nicht von vornherein auf einen festen Betrag begrenzt wurde. Die Kontrolle über die Verwendung der Gelder und die Verfügungsgewalt über einen eventuellen Überschuss, Kern des seit ca. 1522 entstandenen eigenen Finanzwesens der Staaten, wäre daher in Zukunft den Ständevertretungen aus der Hand genommen worden. Die von Adel und Geistlichkeit im Oktober 1569 konzipierten “allgemeine Mittel” waren vor allem Verbrauchssteuern und Gebühren auf die Ein- und Ausfuhr (S[tadsarchief] A[ntwerpen], Privilegekamer, Brede Raad, Urschrift, VIII, 6a, vom 11. Okt. 1569). Obwohl sie viel komplexer waren als der zehnte Pfennig, wurden sie doch von den Schöffen in Antwerpen abgelehnt, die andere oder viel niedrigere Steuern vorschlugen, um dem Wirtschaftsleben nicht zu schaden ( ibidem , 27. Jan. 1570, n.s.). Die “allgemeinen Mittel” des Magistrats wurden jedoch ihrerseits vom Brede Raad verworfen (S.A., Breeden Raedt, Tabellen, 1560-1618, ab 1560, f 2). Auch die hundertsten, fünfzigsten, zwanzigsten und sogar zehnten Pfennige der Magistrate von Brügge und Ieper waren viel selektiver als Albas zehnter Pfennig in seiner moderatesten Form. Der Export von Grundstoffen und Lebensmitteln wurde aus begreiflichen Gründen hoch besteuert, aber die Ausfuhr von Produkten aus lokaler Erzeugung (Textilindustrie) wurde im Gegensatz dazu wenig oder gar nicht behindert. Die Städte hatten freilich oft gegensätzliche wirtschaftliche Interessen, sodass selbst auf Provinzebene selten oder nie Übereinstimmung über die Art und die Höhe der “allgemeinen Mittel” erreicht werden konnte (S[tadsarchief] G[ent], Register van de Collatiën, 121, 3, f 357 v-361 und L. Gilliodts van Severen “Un épisode de la levée du dixième denier”, in: Bulletin de la Commission Royale d’Histoire , ( de l’Académie Royale de Belgique ), Reihe 4, 11 (1883), p. 13). Welcher Art die “allgemeinen Mittel” auch waren, es wurde stets gefordert, dass sie von Einheimischen eingehoben werden mussten, und vor allem, dass ein eventueller nationaler Überschuss entsprechend der letzten Quotenskala auf die verschiedenen Gebiete aufgeteilt werden sollte (S.G., selbes Register, f 353 v-354 r). Dass die Genter Kollation sich für den zehnten Pfennig aussprach, wie dieser 1569 von Alba erzwungen wurde, und danach für den moderierten zehnten Pfennig als nicht ständiges “allgemeines Mittel” (das ist ein wesentlicher Unterschied), erstaunt weniger, wenn man bedenkt, dass seit 1540 die Genter Generalität hauptsächlich aus Schöffen und Adeligen bestand, die sich um Handel und Gewerbe wenig kümmerten (S.G., selbes Register, f 309 r-315r und 319 r). Es ist typisch, dass auch Leiden und Dordrecht den zehnten Pfennig in seiner gemäigten Form als eine geeignete Steuer ansahen, um damit die Bede von 2 Mio. Gulden einzusammeln (H. A. Enno van Gelder, ” De tiende penning “, 133). Trotz der oft weitgehenden Laxheit der beiden ersten Stände und des Magistrats der meisten Städte zeigt sich überall, dass man sich schon Anfang 1569 der Gefahr für die Macht der Staaten vollauf bewusst war, die in der Dauerhaftigkeit des zehnten Pfennigs verborgen lag. Darum wurden stets, auch wo es “allgemeine Mittel” betraf, Verwaltung der Gelder durch die Staaten und zeitliche Begrenzung als Bedingung gestellt. Adel und Geistlichkeit gaben im Frühling 1569 ihre Zustimmung zur Einhebung des zehnten Pfennigs, vorausgesetzt, dass er auf neun Jahre begrenzt bliebe (S.G., selbes Register, f 289 und flg.; Reichsarchiv Gent, Reihe F, 40, p. 57; L. P. Gachard, “Relation du voyage des députés envoyés à Philippe II en Espagne par les Etats de Brabant, pour réclamer contre le dixième et le vingtième denier”, in: Bulletin de la Commission Royale d’Histoire, (de l’Académie Royale de Belgique) Reihe 2, II (1858), p. 254-381, siehe p. 307.
[8] E. Poullet und Ch. Piot, Correspondance de Cardinal de Granvelle (12 Teile; Brüssel, 1877-1896) IV, 165-169. Auch aus fast allen narrativen Quellen, protestantischen wie katholischen, geht hervor, dass die Animosität der Handwerker und des gemeinen Volks gegen die Oligarchien der Schöffen die 1569 fast überall aus Furcht vor Alba den zehnten Pfennig bewilligt hatten, wieder deutlicher zum Ausdruck kam. Der Brüsseler Katholik Jan de Potter verzeiht ihnen das nicht ( Dagboek , 1549-1602 (Gent, 1861), 38) und in den Augen Godevaert van Haechts, eines Lutheraners aus Antwerpen, bringen die Schöffen nichts Gutes zustande ( De Kroniek van Godevaert van Haecht , hsg. R. van Roosbroeck, (2 Teile; Antwerpen, 1933) II, passim ). Die Abneigung des einfachen Mannes gegen die Magistraten ist eine seit Karl V. tief verwurzelte Tradition, deren Bedeutung für die Vorbereitung des Aufstandes vielfach übersehen wird. Unseres Erachtens ist es bedeutungsvoll, dass gerade in den Städten, deren Regierung sich am heftigsten gegen den zehnten Pfennig widersetzt hat, die Aufständischen 1572 auf den gröten Widerstand stieen. Anders als J. C. Boogman in seiner innovatorischen Studie “De overgang van Goudam Dordrecht, Leiden en Delft in de zomer van het jaar 1572” (in: TvG 57 (1942), 87), sehe ich sehr wohl einen direkten Zusammenhang zwischen dem zehnten Pfennig und der raschen Übergabe Dordrechts an Wilhelm von Oranien einerseits, und den langen Widerstand Amsterdams andererseits. Die Schöffen der letztgenannten Stadt, in Gegensatz zu denen in den meisten anderen Städten, waren schlielich nicht in Misskredit geraten, eben weil sie sich mit allen Mitteln dem zehnten Pfennig widersetzt hatten. Fast überall anders trat der Magistrat erst spät (1571) und ohne viel Überzeugung gegen die tatsächliche Einhebung der zwei Jahre zuvor bewilligten Steuer auf. Die Angst vor der öffentlichen Meinung war nun gröer als die Furcht vor Alba.
[9] Vor allem aus Furcht vor örtlichen Unruhen sandten die Staaten im Winter 1571-1572 Abgeordnete zuerst zu Alba und dann zu Philipp II. Morillon schreibt darüber an Granvelle: “Je pense bien que, par ce boult, ilz (nl. de Vier Leden van Vlaanderen) vouldroyent couvrir vers le peuple leurdict consentement (van 1569!)” ( Corr. de Granvelle , IV, 89-90). Die Staaten von Hennegau gaben sogar zu, dass die Abordnung nach Spanien dazu diente, “… pour contenir le peuple et démonstrer que chacun averoit faict son debvoir à la descharge de sa conscience” (L. Devillers, Inventaire analytique des archives des Etats de Hainaut, (3 Teile; Mons, 1884) I, 178). Der katholische Autor eines Tagebuches, De Potter, sagt, markiger, dass die Staaten und die Stadtverwaltungen eine Abordnung zu Philipp II. schickten aus Angst vor einer “… sedytie oft oploep, ende duchten dat op huerlieden cappen druppen soude” (zitiert von Bakhuizen van den Brink, “Over den Tienden Penning”, 468, n. I).
[10] Duque de Alba, Epistolario del III duque de Alba, don Fernando Alvarez de Toledo , III (Madrid, 1952), Brief Nr. 1571, 73-74.
[11] Zitierte “Kronik”, die offenbar eher ein Tagebuch ist, II, 157.
[12] In der ersten Version wies ich Albas Zeugnis als unbrauchbar von der Hand. In einem Nachtrag zu seiner Dissertation bewies Ph. Moureaux, damals Dozent an der Freien Universität Brüssel, dass in dieser Region wirklich mit der Einhebung begonnen worden war. Doch brachte sie nicht viel ein, und das wenige landete nicht in der Staatskasse, d.h. dass es unter die Kontrolle der Provinzialstände geriet. Dass Alba in seinem Briefwechsel so stark hervorhob, was in Doornik geschah, scheint auf dessen Ausnahmecharakter hinzuweisen.
[13] Ch. Piot, Chroniques de Brabant et de Flandre [Reihe 4 der Koninklijke Commissie voor Geschiedenis] (Brüssel, 1879), 379-380.
[14] Kroniek van Godevaert van Haecht , II, 156.
[15] W. Brulez, “La navigation flamande vers la Méditerranée à la fin du XVIe siècle”, in: Belgisch Tijdschrift voor Filologie en Geschiedenis , 36 (1958), 1210-1242, siehe p. 1239.
[16] Zu den Ereignissen in Antwerpen, siehe Kroniek van Godevaert van Haecht , 170-174.
[17] L. P. Gachard, “Relation”, 368-370.
[18] Die Prozentsätze wurden damals von Frau O. Luypaert-Decombele in einer von der Koninklijke Vlaamse Academie ausgezeichneten, aber nicht publizierten Abhandlung über die Finanzierung der spanischen Politik in den Niederlanden berechnet. Die Arbeit wurde zum Groteil von G. Parker in seiner The Army of Flanders and the Spanish Road, 1561-1659 (Cambridge, 1972) übernommen. Weiters: J. Craeybeckx, “La portée fiscale et politique du 100e denier du duc d’Albe”, in: Acta Historica Bruxellensia, I, Recherches sur l’histoire des finances publiques en Belgique (Brüssel, 1967), 343-374.
[19] Bakhuizen van den Brink, “Over den Tienden Penning”, 457.
[20] Siehe die Berichte Morillons über Arbeitslosigkeit und Lohnkürzungen in Brüssel im Winter 1571-1572 ( Corr. de Granvelle , IV, 91, 100). In den Brüsseler “Resolutionsbüchern” findet man ab 1571, neben Klagen über die schlechte Wirtschaftslage, auch Berichte über eine schwere Krankheit (Stadtarchiv Brüssel, Resolutieboec Nr. 1724, f 185 v und passim ). Für Antwerpen berichtet Godevaert van Haecht über einige Krisenerscheinungen; als Folge der Flucht bei der Annäherung Albas gab es dort angeblich viele leerstehende Häuser ( Kroniek , II, 54-55). Weiters wurde in der Folge deutlich, dass die Mietpreise in Antwerpen von 1567 an tatsächlich fielen. Derselbe Autor berichtet auch über eine Pestepidemie, die sowohl in der Stadt als auch auf dem Land viele Opfer forderte. Durch den daraus resultierenden Mangel an Arbeitskräften wäre 1571 die Getreideernte nicht vollständig eingebracht worden ( Kroniek II, 150-152. Der Schnee und die groe Kälte von Mitte Februar bis Ende März 1572 hätten der Epidemie ein Ende gemacht ( Kroniek II, 167), etc.
[21] O. de Smedt, De Engelse Natie te Antwerpen , (2 Teile; Antwerpen, 1950-1954), II, 356.
[22] R. Haepke, Niederländische Akten und Urkunden , (Lübeck, 1923), II, siehe die Nummern 562, 597, 610, 638, 644, 699, 675, 710, 718, 734.
[23] Fast alle Remonstrationen der Stände und Städte fordern Manahmen gegen die Schikanen der spanischen Soldaten. Der Katholik Jan de Potter erzählt, dass er, der Diebstähle und Belästigungen durch die bei ihm einquartierten Soldaten müde, sein Haus zu verlassen beschloss, um anderswo einzuziehen ( Dagboek , p. VII). Es besteht kein Zweifel, dass unter Alba die Abneigung gegen die Anwesenheit der spanischen Truppen (des Heeres des gesetzmäigen Herrschers!) bei vielen eine Art nationales Bewusstsein weckte, einem Zustand gegenüber, der immer stärker als eine Art fremder Oberhoheit angesehen wurde. Der ziemlich bissige Godevaert van Haecht stellt die Antwerpener Schöffen und ihre Töchter, die im Februar 1572 in Brüssel mit Spaniern Bankette feierten, als Kollaborateure dar und merkt dazu noch an “… want ‘t en was sommige heeren van Antwerpen om den Spangiarden te believen niet genoegh dat haer dochteren met den Spangiarden hier seer familiardt waeren; sy sonden se haer noch thuys” ( Kroniek , 168). Alba selbst wusste, dass alles, was aus Spanien kam, in den Niederlanden sehr wenig Anklang fand. Im März 1572 bat er daher Philipp II., den zehnten Pfennig nicht mehr mit dem Wort alcabala bezeichnen zu lassen: “… y suplico a V.M. mande que no se le llame allà alcabala, sino décima, que el nombre les ofende como si se les sacase por él màs dinero, creo porque es impuesto de España” (Duque de Alba, Epistolario , III, 48).
[24] Zahlen bei E. Sabbe, De Belgische vlasnijverheid , (Brügge, 1943), I, 303.
[25] E. Coornaert, La draperie-sayetterie d’Hondschoote (Paris, 1930), Beilage V bis.
[26] E. Scholliers, De levensstandaard in de XVe en de XVIe eeuw te Antwerpen (Antwerpen, 1960), 247.
[27] Corr. de Granvelle , IV 126.
[28] Ibidem , 140, 150, 153.
[29] Allgemeines Reichsarchiv Brüssel, Abrechnungen des Groen Wasserzolls: Rechenkammer Nr. 22389-22390 (Einnahmen für die Jahre 1569 bis 1572).
[30] E. Scholliers, De levensstandaard , 138-139.
[31] Das Erntejahr 1571-1572 war das schwerste seit der Krise 1565-1566; vgl. C. Verlinden et al., Dokumenten voor de geschiedenis van prijzen en lonen in Vlaanderen en Brabant (Gent, 1959), I, 60, 271, 486, 496, etc.
[32] Siehe den inzwischen erschienenen Artikel von M. Delmotte, “Het Calvinisme in de verschillende bevolkingslagen te Gent (1566-1567)”, in: TvG , 76 (1963), 145-76.
[33] R. Boumans, “De getalsterkte van katholieken en protestanten te Antwerpen in 1585”, in: Belgisch Tijdschrift voor Filologie en Geschiedenis , 30 (1952), 741-798.
[34] Bissige Satire in “Alva’s eerste boetpsalm” auf die Südniederländer und die Lutheraner, die die Glaubensverfolgungen geduldig ertrugen, solange Alba nicht in ihren Geldbeutel griff (J. van Vloten, Nederlandsche Geschiedzangen , (Amsterdam, 1852), I, 394). Bei van Vloten und E. T. Kuiper ( Het geuzenliedboek , (2 Teile; Zutfen, 1924)) findet man mindestens zwölf Lieder – einige davon stammen aus einer Zeit lange nach den Ereignissen -, worin deutliche Anspielungen auf den zehnten Pfennig vorkommen. Auer dem aus kalvinististischer Sicht sehr prinzipiellen “Eerste Boetpsalm”, prangern die meisten dieser Lieder ohne Umschweife Albas Steuergier an. Kritik an den Nachteilen der Steuer und vor allem an den Folgen ihres dauerhaften Charakters kommt darin nie vor. Aber darf man das von dieser Art Literatur überhaupt erwarten, wie H. A. Enno van Gelder (“De tiende penning”, 137) es tut ? Auch heute beschäftigt sich die öffentliche Meinung nicht sehr mit steuertechnischen Problemen an sich. Nach 1572 war der zehnte Pfennig nur mehr einer der vielen unangenehmen Aspekte der spanischen Politik.
[35] Renon de France, Histoire des causes de la désunion, révoltes et altération des Pays-Bas , Hrsg. Ch. Piot (Brüssel, 1886), I, 425 ff. (Manifest vom 14. April 1572); B. de Jonghe, Gendsche geschiedenissen … (Gent, 1781), 191. Zum groen Interesse, das Wilhelm von Oranien vor Den Briel für die Agitationen gegen den zehnten Pfennig hegte, siehe auch P. Bor, der Einsicht in einen Brief Wilhelm des Schweigers vom 17. Februar 1572 nahm ( Oorsprongk, begin ende vervolgh der Nederlandsche oorlogen , (Amsterdam, 1679), I, 362, 366).
[36] P. Bor, Oorsprongk , I, 361.
[37] Das Urteil von Viglius ist ziemlich nuanciert. Für ihn war der zehnte Pfennig der Vorwand, den die Geusen ausnutzen verstanden, um das Volk auf ihre Seite zu ziehen. Aber es waren vor allem die Armut und die Krise in Handel und Schifffahrt, die die Massen zum Aufstand führten (Hoynck van Papendrecht, Analecta Belgica , I, pars II, Viglius ad Hopperum, p. 686). Für Granvelle war freilich klar, dass “.. les derniers tumultes … n’ont heu aultre principal fondement que l’imposition de vint et dix en alcaval qu’on les vouloit sans nul fondement de raison charger” (G. Groen van Prinsterer, Archives ou correspondance inédite de la maison d’Orange-Nassau , 1. Serie, I, (2. Ausgabe, Leiden, 1842), 74).
Adriaan van Meerbeeck erkannte dem zehnten Pfennig groe Bedeutung als Ursache der Entfremdung von Philipp II. zu, Chroniike van de gantsche werelt ende sonderlinghe vande Seventhien Nederlanden (Antwerpen, 1620), 285; Fr. Verhaer, Onpartijdighe verclaringhe der oorsaken des Nederlantsche Oorloghs (Antwerpen, 1612), 19-20; M. Aitsinger, De leone Belgico (Köln, 1583), 1. April 1571; M. Ab Isselt, Sui temporis historia (Köln, 1602), 255; F. Strada, De Bello Be lgico (Rom, 1632), liber VII, sub anno 1571; G. Bentivoglio, Histoire des guerres de Flandres (Paris, 1770, II, 303-331; etc.
[38] L. P. Gachard, Correspondance de Philippe II , (1861), Beilagen IV, 742-743. Gleicherweise bei B. de Mendoa, der ab 1567 an den Kriegshandlungen in den Niederlanden teilnahm (Commentaires sur les événements de la guerre des Pays-Bas , (Brüssel, 1860), I, 245-247).
[39] Ausgabe von A. Verwey (2. Druck, Santpoort, 1942), 79-80, 84-85, 92-93.
[40] Nederlandsche Historien (Amsterdam-Leiden, 1703), 208-209.
[41] Corr. de Philippe II , (1851), II, 206.
[42] Annales et Historiae de rebus Belgicis (Amsterdam, 1658), 46 ff.; J. Gysius, Oorspronck ende voortgang der Nederlandscher Beroerten (Delft, 1626) und G. Brandt, Historie der reformatie (Amsterdam, 1671), 518 ff., sind ziemlich gut dokumentiert, vor allem das erstgenannte Werk, lassen aber kein Urteil über die Bedeutung des zehnten Pfennigs als möglichen Anlass zum Aufstand erkennen. Es ist offensichtlich, dass die protestantische Geschichtsschreibung, im Gegensatz zur katholischen, das religiöse Motiv zusammen mit dem Widerstand gegen die fremde Oberhoheit am stärksten betonte. Der zehnte Pfennig ist nur ein Umstand (nicht einmal ein Anlass), der die Aufgabe der Aufständischen im Norden einfacher machte.
[43] Belgarum aliarumque gentium annales (Leiden, 1633) 9.
[44] Das wird mehr als deutlich aus zwei kürzlich erschienen Werken, die ein neues Licht auf die Handelsstrukturen im 16. Jahrhundert werfen, nicht mehr aus der Sicht einiger ausländischer Riesenfirmen von Kaufleuten und Bankiers: E. Coornaert, Les Franais et le commerce international à ‘Anvers (2 Teile; Paris, 1961) und W. Brulez, De firma della Faille en de internationale handel van Vlaamse firma’s in de 16e eeuw (Brüssel, 1959). Siehe im letztgenannten Werk Texte über die groe Unsicherheit des Handels und die verschärfte Konkurrenz auf ausländischen Märkten, u.a. p. 240-241, über die langsame Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals und die langen Zahlungsziele p. 350 f. und p. 384-385, über die oft kleinen Gewinne der kleinen und mittelgroen Handelsbetriebe p. 390-392. Maarten della Faille, einer der reichsten Antwerpener Kaufleute, sah 1586 in der Einhebung einer neuen 1%-igen Steuer auf die Ein- und Ausfuhr in Hamburg eine unerträgliche Belastung. Er vermied es fortan, bestimmte Güter durch diese Stadt laufen zu lassen ! (p. 425).
[45] Ch. Piot, Chroniques , 380. Gleichlautende Argumente werden vom Magistrat in Antwerpen gegen die von Adel und Geistlichkeit im Oktober 1569 entworfenen “allgemeine Mittel” vorgebracht. Ein zwanzigster Pfennig auf Spezereien und Zucker aus Portugal für den Wiederexport in die Ostsee und anderswohin, konnte nur “causeren die geheel diversie van der zelver coopmanscape”. Maria von Ungarn hatte selbst eingesehen, dass der hundertste Pfennig, der 1543-1545 in den Niederlanden eingehoben wurde, in Hamburg zu einem Direktimport von portugiesischen Kolonialwaren geführt hatte (S.A., Privilegekamer, Breede Raad, minuten, VIII, 6A, 27 Januar 1570, f 8 r ff.) Dieses Schriftstück, in dem noch andere, ähnliche Argumente vorkommen, war nicht für die Regierung bestimmt. Ein anonymes Antwerpener Manifest vom Dezember 1571 wies darauf hin, dass Antwerpen “alleen een packhuys is van alle dese omligghende steden”. Darum müssen die Manufakturen steuerfrei bleiben, sonst würden die ausländischen Kaufleute nach Köln, Emden und andere Städte ausweichen (R. van Roosbroeck, “Over een anoniem manifest, 1571”; in: Bijdragen tot de Geschiedenis van het oude hertogdom Brabant , 17 (1926), 72-78). Die labile Marktposition Antwerpens und der Niederlande wird auch in einer 1569 von den Ständen an Alba übergebenen Remonstration unterstrichen, die scheinbar von Kaufleuten inspiriert wurde (Allgemeines Reichsarchiv Brüssel, Papiers d’état et de l’audience, Nr. 607, ohne Datum).
[46] Corr. de Granvelle , IV, 91. 100. De “vettewariers” und die Händler werden dabei nichts verlieren, “… car ilz revendront tant plus chier”. Im Frühling 1569 drückten die Abgeordneten des Brugse Vrije sich auf einer Versammlung der Vier Glieder (“Vier Leden”) wie folgt aus: “Ende bij consequentie soude den coopman drapier … ende andere hemlieden met sulcke gemaeckte waeren moeyende noch eens alsoo vele den prys moeten verhooghen als hy voor impositie betaelt hadde” (S.G., Reihe 9, Nr.1, f 89, v).
[47] Zur Identifizierung von Garnica, vgl. R. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger (2 Teile; Jena, 1922) und H. Lapeyre, Simon Ruiz et les Asientos de Philippe II (Paris, 1953).
[48] Für den Brieftext siehe Duque de Alba, Epistolario , II, Nr. 1456, p. 761-762.
[49] Renon de France, Histoire , I, 372. Arcauty führte eine Untersuchung in allen Städten und Dörfern durch. Mein ursprünglicher Text wurde hier aufgrund von W. Brulez, “De handelsbalans der Nederlanden in het midden van de 16e eeuw”, in: BGN , 21 (1966-67), 278-310, siehe p. 304, Anm.1, angepasst.
[50] Ein derartiger Vertrag wäre eine wahre Katastrophe für die Finanziers geworden. Am 4. April 1572 musste Alba dem König schlielich melden, dass sich die Fugger weigerten, einen versprochenen Vorschuss von 129.000 Schilden auszubezahlen “… porque la consignacion era en la décima”. Damit gab er zugleich implizit das Scheitern der Einhebung des zehnten Pfennigs zu (Duque de Alba, Epistolario , III, 79-80).
[51] Duque de Alba, Epistolario , II, 816.
[52] Siehe dazu seine Briefe an den König: Corr. de Philippe II , II, 49, 89, 210, 226, etc.; und Duque de Alba, Epistolario , II, 738; III, 38. Aus einem anderen Brief geht ebenfalls hervor, dass die Moderation des zehnten Pfennigs auf importierte Güter von Alba selbst als taktischer Schachzug angesehen wurde. Um die Kaufleute langsam an die Steuer zu gewöhnen, beabsichtigte Alba den zehnten Pfennig schrittweise einzuführen, zuerst 2%, etwas später 4%, u.s.w., ein bezeichnendes Detail, dem bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde und das wohl ein seltsames Licht auf die sogenannte Besorgnis des Landvogts um die wirtschaftlichen Belange der Niederlande wirft (Duque de Alba, Epistolario , II, 738, Brief vom 23. September 1571).
[53] Zur langsamen Emanzipation der Ständevertretungen ab dem Beginn der Regierungszeit Karl V., siehe u.a. J. Craeybeckx, “De Staten van Vlaanderen”. Bereits 1521 erhielten die Stände von Flandern die Verfügungsgewalt über die Gelder der Bede. Sie bezahlten selbst die Truppen, gemä Anweisung der Zentralregierung (Algemeen Rijksarchief te Brussel, Papiers d’état et de l’audience, Nr. 35, passim ). Drückender Geldmangel zwang die Krone später zu immer weitergehenden Zugeständnissen. Es war eine richtige Gegenströmung gegen den auf fast allen anderen Gebieten stets fortschreitenden Absolutismus. Albas zehnter Pfennig hätte dieser Entwicklung ein jähes Ende gesetzt, die die Stände direkt auf die Aufgaben vorbereitet hätte, die sie nach der Abtrennung im Norden zu erfüllen hatten.
[54] M. A. Arnould, “L’impôt sur le capital en Belgique au XVIe siècle”, in: Le Hainaut économique , (1946), I, 17-45, siehe p. 36-37. Zur laxen Art, wie in der Praxis der hundertste Pfennig auf bewegliche Güter eingehoben wurde, vgl. u.a. Godevaert van Haecht, Kroniek , II, 120. Es lief schlielich darauf hinaus, dass die Kreisvorsteher, die als Eintreiber fungierten, “de treffelycxte (burgers) op ‘t stathuys” bestellten, “ende wat elck bekende, luttel oft vele, ‘t was al aengenaem”. Für Grundstücke und Häuser wurde dagegen eine Art Kataster aufgestellt.
[55] F. Braudel, “Histoire et sociologie”, in: Traité de sociologie , Hrsg. G. Gurvitch, (Paris, 1958), I, 86.
[56] M. van Durme, Antoon Perrenot, bisschop van Atrecht, kardinaal van Granvelle (Brüssel, 1953); P. B. de Troeyer, Lamoraal van Egmont, een critische studie over zijn rol in de jaren 1559-1564 in verband met het schuldvraagstuk (Brüssel, 1961).